Plattform und Rhythmusmanagement - Teil II
Welche
Änderungen im Kampfsystem habt ihr in den Boss-Leveln vorgenommen ?
Benjamin
Haddad
Nehmen wir noch einmal Razoff
als Beispiel. Dort haben wir uns nach dem Prinzip des Katz und Maus-Spiels gerichtet.
Im Allgemeinen trifft man selten auf Feinde, die vom Kampfplatz fliehen, das gilt
besonders für Hauptgegner, gegen die man normalerweise in einer Art fest umgrenzter
Arena kämpft, die keiner der Kontrahenten verlassen kann. In diesem Fall haben
wir es genau umgekehrt gemacht. Razoff flüchtet an strategisch günstige Orte,
von wo aus er Rayman in Scharfschützenmanier treffen kann oder er erscheint plötzlich
am Ende eines Ganges, um Rayman dort zu überraschen. Wenn Rayman ihn stellt, kann
er ihm eins überbraten, aber Razoff flieht nach kurzem Kampf und Rayman muss wieder
die Verfolgung durch die Gänge aufnehmen.
Wie
ist es euch gelungen, die verschiedenen Gameplay-Elemente zu bündeln und einen
ausgewogenen und abwechslungsreichen Spielrhythmus zu finden ?
Michael
Janod
Richtig ist, dass wir gleichzeitig einen fortlaufenden
Spielrhythmus aufrechterhalten wollten, den wir mit Überraschungen spicken und
mit einem anwachsenden Schwierigkeitsgrad versehen wollten. Vor diesem Hintergrund
kann man eine Menge mehr oder weniger nützlicher Theorien entwickeln. Von unserer
Seite aus gesehen, waren wir sehr pragmatisch. Wir haben uns einige ganz einfache
Regeln auferlegt: Wenn der Spieler vorrückt, sollen nicht mehr als 15 Sekunden
vergehen, ohne dass etwas passiert: Damit wollten wir vermeiden, dass er durch
ellenlange, leere Gänge läuft. Außerdem wollten wir den Spieler dazu bringen,
dass er stets eine Vielzahl von Bewegungen und Aktionsmöglichkeiten bei seinen
Handlungen kombinieren muss.
Anschließend haben wir die entworfene Sequenz
ausprobiert um herauszufinden, was noch fehlt und was nicht funktioniert. Wenn
wir nach einem solchen Test festgestellt haben, dass das Gameplay zu monoton oder
nicht ereignisreich genug ist, haben wir es noch einmal überarbeitet. Diese Prozedur
haben wir wiederholt, bis uns die Spieltiefe des Levels gefiel.
Benjamin
Haddad
Was die Überraschungen betrifft, so haben wir uns hauptsächlich
auf das Szenario gestützt. Die Geschichte und der Tiefgang des Spiels ermöglichten
es uns, wirkliche Wendepunkte ins Spiel einzubauen und den Spieler mit überraschenden
Ereignissen auf dem falschen Fuß zu erwischen. Beispielsweise befinden sich die
Hauptgegner normalerweise am Ende eines Levels: Der Spieler durchquert eine Welt
und am Ende trifft er auf den Boss, den er besiegen muss, um ins nächste Level
zu gelangen. Wir haben uns einen Spaß daraus gemacht, die Hauptgegner dort zu
platzieren, wo es der Spieler am wenigsten erwartet: in der Mitte des Levels oder
sogar direkt am Anfang.
Warum habt ihr ein Punktsystem
im Spiel integriert?
Der Punktestand ist dazu gedacht, die guten
Spieler dazu zu bringen, noch besser zu werden. Ein Spieler, der nur mittelmäßig
begabt ist, wird froh sein, das Ende des Spiels zu erreichen, aber ein guter Spieler
wird versuchen, das Ende des Spiels zu erreichen und dabei einen möglichst hohen
Punktestand zu erlangen, um sich mit anderen Spielern messen zu können. In Rayman
2 konnten die Spieler versuchen, durch Sammeln von gelben Lums das Spiel mit einer
Wertung von 100% abzuschließen, in Rayman 3 hingegen haben wir ein offenes Punktesystem,
das jeden dazu auffordert den Highscore zu brechen, ein bisschen wie bei den Olympischen
Spielen. Die Punkte sind eine Belohnung für den Spieler, da sie seine Leistung
dokumentieren und verborgene Spielelemente freigeben.
Nachdem dieses Ziel
festgelegt war, ging es darum, die Punkteverteilung so zu handhaben, dass sie
den Spieler zu überlegtem Handeln verleitet: Das ist der taktische Aspekt des
Spiels. Die Reihenfolge und die Sorgfalt in der er bestimmte Aktionen ausführt,
können die Anzahl der erworbenen Punkte radikal beeinflussen. Je mehr gewinnbringende
Aktionen er ausführt, desto mehr Punkte gewinnt er. Wenn er in einem Bereich des
Spiels nicht so erfolgreich war, kann er ihn wiederholen, um seinen Punktestand
zu verbessern, ist aber nicht gezwungen, das ganze Spiel zu wiederholen..
Eine
abschließende Frage: Es scheint unheimlich viele verschiedene Elemente in diesem
Spiel zu geben. Habt ihr nicht Angst, dass sich der Spieler in dieser Vielfalt
verliert?
Ganz im Gegenteil ! Mit einem einzigen Spiel-Prinzip
gelingt es uns eine ganze Reihe von Spielvarianten zu erschaffen, die dazu beitragen,
dass der Spieler nicht gezwungen ist, genau dasselbe noch einmal zu spielen. Für
den Spieler ist dies das größte Geschenk, das wir ihm machen konnten.
Quelle:
Ubisoft/Raymanzone